Back to Europe V: Endspurt

13. Tag, Montag, 29.5.2017

Elke: Endlich haben wir schönstes Segelwetter: Raumer und später halber Wind von 16 bis 22 kn, wenig Welle, das mag unsere Diana und zischt mit 7 kn durch das Wasser.

Heutiges Etmal: 124 kn.

Ich bin etwas traurig: Das Meer ist nicht mehr tintenblau, wie wir das seit über letztem Jahr September gewohnt sind, sondern Nordsee-Stahlgrau bis Moosgrün. Ob es das wohl war mit dem Hochsee-Blau? Das wäre schade!

Markus: Wir funken mit der Twentse Meid, die wir am Horizont sehen. Die Niederländer erzählen uns, dass sie mit ihrem Schiff schon seit vielen Jahren unterwegs sind und zwar mit ihren drei (großen) Kindern. Nun sind sie auf dem Weg nach Holland, da die Kinder dort Examen machen sollen. Interessant! Und da machen wir uns einen großen Kopf um „nur“ ein Jahr Auszeit! Die Twentse Meid fährt zunächst zu der Insel Flores, aber vielleicht sehen wir uns später in Horta auf Faial.

14. Tag, Dienstag, 30.5.2017

Elke: Die Ausläufer des Tiefdruckgebietes im Norden haben uns erreicht, der Wind ist auf 20 bis 24 kn, in Böen 28 kn, aufgefrischt. Wir reffen etwas und segeln weiter flott dahin. Eine Freude, nachdem wir in den ersten 2 Wochen quasi jeden Meter zu den Azoren dem Meer abgerungen haben.

Heutiges Etmal: 151 nm! Sehr schön! So kann es weitergehen (wird es aber nicht, die nächste Flaute hat sich schon angekündigt).

Wir rechnen, dass wir am Donnerstag ankommen werden, noch 2 Nächte.

Markus: Wir sehen die Nalu wieder (auf dem Bildschirm), 15 Seemeilen querab von uns. Sie schicken uns eine Satelliten-SMS, dass sie uns nicht per Funk erreichen. Wir versuchen es auch noch einmal per Funk, klappt aber nicht. Also schicken wir auch eine SMS.

Regen kommt am Abend auf und die Wellen werden unangenehm und schütteln uns durch. Wir motoren zum gerefften Großsegel

15. Tag, Mittwoch, 31.5.2017

Elke: Das Atlantikwetter bietet mal wieder alles auf, was es hat: Wir motoren mit Groß im 2. Reff fröhlich vor uns hin, als ich morgens um 0700 Uhr feststelle, dass der raume Wind auf 18 bis 22 kn auffrischt. Nanu, eigentlich sollte der Wind doch drehen und abflauen? Aber umso besser. Schnell die Genua gesetzt und den Motor aus. Der Wind frischt bis auf 25 kn auf. Genua wieder gerefft. Nach einiger Zeit wird der Wind wieder schwächer, erst bis 20 kn, dann bis 16 kn. Genua entsprechend zwei mal ausgerefft. Dann beim Frühstück schlägt plötzlich lauthals die Genua back, der Wind ist binnen Sekunden auf 5 kn eingeschlafen und hat sich um 180 Grad gedreht. Es regnet in Strömen. Motor an, Genua wieder rein, Groß dichtgeholt. Langweilig wird es hier wirklich nicht. Vor allem die urplötzlichen Winddreher halten einen in Atem. Wir stellen uns vor, wie anstrengend es hier für einen Einhandsegler sein muss, der eigentlich nur in voller Montur leichte Lauerschläfchen halten kann. Da haben wir es zu zweit schon gut.

Wir nähern uns mit großen Schritten den Azoren. Der Meeresgrund hat sich schon von den vorherigen 5000 m auf 2000 m gehoben. Die Azoren befinden sich auf dem sog. Mittelatlantischen Rücken, auf dem die Amerikanische, die Eurasische und die Afrikanische Erdplatte aufeinander treffen. Die beiden westlichen Inseln – Flores und Corvo – befinden sich auf der Amerikanischen Platte, während die anderen Inseln auf der Plattengrenze zwischen Eurasischer und Afrikanischer Platte liegen. Die Amerikanische Platte bewegt sich interessanterweise ca. 2,5 cm pro Jahr nach Westen von den anderen Platten weg, so dass Flores und Corvo sich immer weiter von den anderen Inseln entfernen. Die Entfernung zwischen Flores und Faial beträgt bereits jetzt 130 nm, weshalb wir Flores im wahrsten Sinne des Wortes links liegen lassen und direkt Fail ansteuern. Wir hätten uns Flores gerne angeschaut, möchten aber auch mit den anderen ARC-Crews unsere Atlantik-Überquerung in Horta (auf Faial) feiern. Daher lassen wir Flores (diesmal 😉 aus.

Das Wetter ist mitteleuropäisch grau in grau mit Nieselregen. Das ist ein trauriger Gegensatz zum Hinweg, auf dem man in die Wärme und Sonne reist. Spätestens ab den Kapverden bleiben die langen Hosen und Shirts im Schapp, auch nachts und auch im strömenden Regen.

Aus dem Funkgerät dringt nunmehr interessantes Kauderwelsch, das sich auf den ersten Blick (oder „aufs erste Hinhören“?) Russisch anhört und bei näherem Hinhören als Portugiesisch entpuppt. Soviel zum Thema Englisch als Internationale Funksprache. Das sind wir aber schon gewohnt: Auf allen französischen Inseln in der Karibik wird konsequent und ohne jegliche Ausnahme (auch natürlich seitens der Behörden) auf Französisch gefunkt. La Grande Nation… 😉

Nach 2 Stunden Flaute mit drehendem Wind und viel Welle aus allen Richtungen (Zähneputzen stellt heute eine artistische Meisterleistung dar) nun wieder 27 kn raumer Wind. Was kommt als Nächstes?

Noch 120 nm bis Horta. Wenn wir einen Schnitt von 5 kn halten, sind wir in 24 Stunden da. Das sind motivierende Aussichten.

So kommt es aber leider nicht, der Nordatlantik zeigt mal wieder seine Wechselhaftigkeit. Als Markus und ich gerade im Cockpit den Bullenstander entfernen, dreht der Wind innerhalb von Sekunden um 180 Grad und kommt jetzt statt raum steuerbord aus ca. 50 Grad Backbord. Und das nicht wie angesagt mit 14 bis 16 kn, sondern mit 20 bis 29 kn. Dagegen erreichen wir mit dem Motor 3,5 kn, höchstens 4 kn. Es dauert also noch. Und das Anmotoren gegen Wind und Welle macht keinen Spaß, das Boot knallt auf die Wellen und es kriecht an vielen Stellen mal wieder das Salzwasser hervor. Naja, da müssen wir durch. Noch 80 nm, irgendwann morgen kommen wir an!

16. Tag, Donnerstag, 1.6.2017

Elke: Der Wind flaut nicht ab, sondern hält sich bei 19 bis 22 kn. Wir knüppeln hart am Wind mit dem Motor an, bis dieser um ca. 0300 Uhr wieder unregelmäßig läuft. Auch das noch! Dabei haben wir nach der letzten Erfahrung sämtlichen Diesel aus den Kanistern beim Einfüllen gefiltert. Markus entleert den Wasserabscheider. Wir setzen die (sehr gerefften) Segel und düsen mit 5 bis 6 kn hart am Wind dahin. Die Schräglage ist nicht besonders gemütlich, ab und zu knallen wir aufs Wasser oder eine Welle brettert übers Deck. An vielen kleinen Eckchen findet das Salzwasser seinen Weg ins Schiff. Nicht dramatisch, nur nass und nervend.

Aber wir kommen unserem Ziel näher. Um 0630 Uhr trennen uns nur noch 37 nm von unserem Ziel. Auf dem Plotter sehen wir schon die ersten Fischerboote entgegen kommen. Jetzt heißt es aufpassen, zumal bei weitem nicht alle Fischerboote mit AIS ausgestattet sind.

Die Nalu ist mittlerweile ganz nah und wir können wieder über VHF funken. Ob wir wieder wie auf Bermuda kurz hintereinander ankommen?

Von links: Nalu, anderes Boot, Fischerboot

Nach einiger Zeit sehen wir Land, den Pico auf der gleichnamigen Insel, der unser Ziel Horta auf Faial überragt! Endspurt.

Am Ende der Strecke kommt uns noch einmal ein munteres Windchen von 25 kn entgegen, obwohl wir eigentlich schon im Windschatten von Faial sind. Ein Düseneffekt zwischen Faial und Pico? Naja, es ist ja nicht mehr weit.

Um 1405 Uhr überqueren wir die ARC Finish Line. Geschafft! Kurz nach uns kommt die Nalu herein. Nach 14 Tagen und 23 Stunden sind wir angekommen. 1887 nm haben wir hinter uns gebracht und dafür 359 Stunden gebraucht, das sind 5,25 kn im Schnitt.

 

 

 

 

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