Bordtagebuch ARC Europe I: Bericht von Bord auf dem Weg von BVI zu den Bermudas

1. Tag, Samstag, 6.5.2017

Elke: Es geht los! Mit insgesamt 38 Schiffen von ARC Europe und ARC USA legen wir ab. Das Ablegen ist natürlich nicht ganz so pompös wie bei der ARC 2016 mit 250 Schiffen. Der ARC-Trupp bereitet uns aber einen schönen Abschied und schießt viele Fotos, die wir hoffentlich bald hier einfügen können.

Um 11.30 Uhr verlassen wir unseren Platz in der Marina Nanny Cay nach einer laaaangen Abrechnungs-Prozedur im Büro. Die Marina ist wohl die beste in der Karibik mit Pool und kleinem Strand und freiem Wifi, Supermarkt und freiem Zugang zu allen Örtlichkeiten ohne irgendwelche Codes oder Karten. Und die Waschräume sind der Hit, die besten auf der Reise.
Draußen kreuzen viele Schiffe nah beieinander, um eine gute Startposition zu erwischen. Um 12.00 Uhr geht das Startsignal los und um 12.05 Uhr segeln wir über die Startlinie.

An Tortola vorbei geht es Richtung Jost van Dyke und dann auf die hohe See. Wir müssen uns nach einem Monat BVI’s (mit 20 m Wassertiefe) und fünf Tagen im Hafen erst wieder an den Seegang gewöhnen. Puh, das haben wir 24 Tage mitgemacht? Aber erfahrungsgemäß wird es am dritten Tag besser.

Wir haben schönen halben Wind und kommen gut vorwärts. Nach kurzer Zeit verschwinden die Silhouetten der BVI’s hinter dem Horizont. Tschüs, Karibik! Es war wunderschön, aber jetzt freuen wir uns auch auf neue Ziele.

Ich übernehme wie immer die erste Wache. Markus und die Kinder sind früh im Bett. Nach kurzer Zeit erwischt uns ein Squall mit Starkregen und Winddrehern und ich habe ganz schön zu tun. Das fängt ja gut an!

2. Tag, Sonntag, 7.5.2017

Elke: Die Nacht war dann doch angenehm mit viel Wind bis 20 Knoten. Wir fliegen mit bis zu 8 Knoten dahin und erreichen mit 155 nm das bislang höchste Etmal unserer Reise.  Die Sonne scheint und der Schwell wird auch merklich weniger. So kann es weiter gehen!

Markus: Die Yacht Allegra funkt uns an. Sie nehmen auch an der ARC Europe teil und segeln eine Zeit lang neben uns her. Wir reden über dies und das und ich frage sie, ob sie uns auf ihrem AIS-Bildschirm sehen. Ich sehe die Allegra nämlich nicht bei uns. Der Skipper verneint. Komisch! Stimmt da etwas mit unserem Gerät nicht? Wir wünschen uns eine gute Reise und verabschieden uns.

Ich funke die Yacht Orion an, die schon länger in unserer Nähe fährt. Der Skipper des Schiffs heißt Karl und kommt auch aus Köln (!). Karl sagt, dass er uns sehr gut auf seinem AIS Gerät sieht. Gut, bei uns scheint alles in Ordnung zu sein.

Etwas hinter uns sehen wir auf unserem Bildschirm noch die Wethomi von Michael und die Nalu des Schweizer Paars Nicklaus und Isabell. Ganz weit vorne die Teamgeist, eine X-Yacht 572, deren deutsche Crew wir schon von der ARC 2016 kennen. Das sind die deutschsprachigen Teilnehmer der ARC, wir haben uns bei den Sundownern kennen gelernt. Leider gibt es bei der ARC keine gleichaltrigen Kinder für Oskar und Nestor. Die einzige, die auch mit Kindern unterwegs ist, ist die Crew der Teamgeist, deren Jungs sind aber schon 16 bzw. über 20 Jahre alt. So langweilen sich Oskar und Nestor bei den Veranstaltungen öfter. Gut, dass sie sich gegenseitig haben. Das haben wir übrigens schon oft festgestellt: Mit Geschwisterkindern, gleich welchen Altersunterschiedes, sind solche Reisen gut zu machen, sie haben immer jemand zum Spielen (und Streiten…) und kommen sich sehr nahe. Mit Einzelkindern ist es sehr schwierig. Wir haben von einer norwegischen Familie gehört, die den Jahrestrip abgebrochen und das Boot in der Karibik eingelagert hat, weil die einzige Tochter einfach nicht mehr weiter wollte.

Markus: Der Nachmittag verläuft ruhig mit viel Sonne und wenig Wind. Als wir abends etwas „Richtiges“ kochen wollen, überrascht uns ein Squall. Das sind lokale Starkwindgebiete in den Tropen. Erst kommt sehr starker Wind, dann regnet es unglaublich heftig. Dann bleibt der Wind weg. Der Spuk ist nach 10 – 15 Minuten vorbei.

Wir kochen dann doch noch fertig, asiatischer Gemüsereis mit Eiern und Erdnüssen, lecker.  In der Nacht bleibt das Wetter wechselhaft mit weiteren Squalls, stärkerem Wind und viel Regen. Sehr ungemütlich.

3. Tag, Montag, 8.5.2017

Elke: Nachts bleibt  es regnerisch und wechselhaft. Das Großsegel haben wir gerefft und variieren mit der Genua. Das Ein- und Ausreffen ist ziemlich oft erforderlich und entsprechend anstrengend.
Erfreulich ist, dass es bereits um 04.30 Uhr dämmert und 05.30 Uhr ganz hell wird. Das macht meine letzte Nachtwache von 03.00 Uhr bis 06.00 Uhr viel angenehmer.
Heute haben wir uns schon wieder viel mehr an das Leben auf See gewöhnt, frühstücken gemütlich und machen danach Schule.  Die Bordschule im Cockpit macht ausnahmsweise allen Vieren richtig Spaß. Es geht bei Nestor um Uhrzeiten, Oskar macht Geometrie und wir kommen vom Hölzchen auf’s Stöckchen.
Ich kontrolliere mein Gemüse und werfe grummelnd eine rote Paprika weg (3 Stück für 4,98 USD), die matschig geworden ist und meine Möhren kontaminiert hat. Obwohl ich das Gemüse mit Bleiche abgewaschen habe, hält es sich hier in den Tropen außerhalb des Kühlschranks nur kurz. Immerhin sehen die Möhren noch gut aus, Kartoffeln, Süßkartoffeln, Zwiebeln und Paprika halten sich sowieso ewig. Heute muss es Tomaten- und Gurkensalat geben und außerdem irgendetwas mit Paprika und Aubergine. Die Haltbarkeit des Gemüses diktiert den Speiseplan. Mmh, sollte es nicht eigentlich immer so sein? Und am besten auch noch nach Saison?
Diesmal haben wir wenig Wurst und Käse und kein Fleisch mitgenommen, um den Kühlschrank, den Stromfresser, notfalls abstellen zu können.
Das heutige Etmal beträgt 147 nm, sieht gut aus. Bermuda kommt näher.

4. Tag, Dienstag, 9.5.2017

Elke:
Die Nacht verlief wieder regnerisch, ansonsten ereignislos. Da der Wind sehr schwach und wechselhaft geworden ist, segeln wir mit Motorunterstützung. Der Tag ist erfreulicherweise sonnig und warm. Uns allen graut schon vor den Temperaturen außerhalb der Tropen, an die wir überhaupt nicht mehr gewöhnt sind. Lange Hose – unvorstellbar!
Endlich sind wir außerhalb des Ciguatera-Gebietes und können wieder angeln. Wie immer ohne Erfolg. Wir haben keine Ahnung, woran das liegen könnte. Richtiger Köder, Länge der Leine richtig, Ruckdämpfer o.k. Ob unser Schiff irgendwie abschreckend auf Fische wirkt? Stößt es bei der Fahrt Schwingungen aus, die all die leckeren Doraden und Thunfische, von denen wir immer hören und lesen, Kehrtmarsch machen lässt? Oder sind die Fischfänge nur Gerüchte, wie auch die zahlreichen Walsichtungen? Wir haben die Theorie aufgestellt, dass es in der Karibik nur eine Handvoll Wale gibt, die angefüttert werden. Montags Dominica, dienstags Guadeloupe, mittwochs Antigua…

Das heutige Etmal beträgt 126 nm, angesichts des schwachen Windes o.k.
Am Abend fängt es wie gewohnt an zu regnen. Nachdem der Wind komplett eingeschlafen ist, motoren wir Richtung Bermuda. Das nervt alle, weil der Motor ziemlich laut ist. Aber wir wollen möglichst schnell auf Bermuda ankommen und nicht – wie auf dem Hinweg – besonders sportlich – sprich nur unter Segeln – unterwegs sein. Pragmatismus bestimmt den Rückweg.
Weil wir am Horizont einige Gewitter blitzen sehen, verfrachten wir unser Satelliten-Telefon und die Mobiltelefone in den Herd. Ein Ersatz-GPS ist dort außerdem immer gelagert (natürlich nur, wenn der Herd nicht in Betrieb ist…).  Weil der Herd wie ein Faradayscher Käfig funktioniert, hoffen wir, dass im Falle eines Blitzeinschlages zumindest diese Geräte überstehen werden.

 

5. Tag, Mittwoch 10.5.2017

Elke: Nach ruhiger Nacht unter Motor lacht uns wieder die Sonne an. Es gibt etwas Wind bis zu 10 kn, allerdings leider direkt von Nord, wo wir hinwollen. Also wird weiter motort. Noch ca. 350 Meilen bis Bermuda.

09.50 Uhr: Oskar, der auf der Salonbank sitzt, bemerkt: „Mama, die Bank ist so heiß. Und es riecht verbrannt. Woher kommt das?“ Oh Schreck! Oskar sitzt oberhalb der Batterien! Wir schauen schnell nach und die Batterien sind sehr heiß, zu heiß. Die Lichtmaschine lädt mit 23 A, obwohl die Batteriebänke zu 100 % voll sind und 14,21 V anzeigen. Schnell den Motor ausgemacht und Segel gesetzt. Wir segeln immerhin, da der Wind von Norden kommt, allerdings in Richtung Orlando in Florida.
Wir vermuten, dass der Fehler an der neuen elektronischen Trenndiode liegt, die Markus auf Guadeloupe eingebaut hat. Weil unser System es nicht schaffte, in angemessener Zeit (d.h. unterhalb von ca. 8 Stunden motoren) unsere Batterien über die Lichtmaschine zu 100 % aufzuladen und immer langsamer lud, je höher der Batteriestand war, was uns auf dem Hinweg über den Atlantik ziemlich genervt hat, haben wir uns nach zusätzlichen Möglichkeiten umgesehen. Zuerst wollten wir einen Sterling-Laderegler einbauen, der uns empfohlen worden war. Mehrere Boatyards in Le Marin auf Martinique weigerten sich jedoch strikt, den Laderegler zu verkaufen oder einzubauen mit der Begründung, dann würden die Batterien auf langer Motorfahrt zu heiß. So etwas wollten wir natürlich nicht riskieren. Markus bestellte den elektronischen Mastervolt-Laderegler passend zu unserem Ladegerät und Markus Eltern brachten den Regler nach Guadeloupe mit. Das Gerät soll dafür sorgen, dass sich der Ladestrom gleichmäßiger verteilt. So richtig überzeugt hat uns das Gerät aber nicht, ab 85 % Batterieladung war es auch damit schier unmöglich ohne stundenlange Motorfahrt die Batterien voll zu laden.
Markus vermutet, dass der Regler nun zu heiß geworden ist und daher spinnt. Er baut ihn aus und den originalen Regler wieder ein. Wir lassen die Batterien noch 2 Stunden abkühlen und starten dann wieder den Motor. Es scheint zu klappen! Die Ladekapazität sinkt schnell auf moderate 12,4 A und die Batterien werden nicht mehr als handwarm bzw. die erste etwas heißer. Hoffentlich bleibt das so!
Heutiges Etmal: 124 nm, davon allerdings einige Richtung Westen statt Norden. Naja, wenn der angekündigte Nordwestwind kommt, freuen wir uns darüber.
Die lange Hose ist übrigens nicht mehr unvorstellbar, es wird merklich frischer. Im Moment noch erfrischend, noch klappern die Zähne nicht.
Leider werden die Batterien am Abend wieder merklich heißer. Verdammt, hoffentlich geht das bis Bermuda gut! Noch 270 nm.
Wir hatten mit einer Ankunft am Freitag gerechnet, aber leider machen wir unter Motor nicht die erwarteten 5 kn sondern nur ca. 4,5 kn. Daher Ankunft am Samstag und keine Willkommensparty für uns…etwas Frust macht sich breit.

23.30 Uhr: Gleich ist meine erste Nachtwache vorbei. Draußen ist es wunderschön, der Vollmond leuchtet und das Meer ist völlig glatt. Ich bin allerdings ziemlich unentspannt, kein Wind bedeutet weiterhin motoren und die Batterien bleiben heiß. Wind soll erst morgen früh gegen 08.00 Uhr einsetzen, hoffentlich geht bis dahin alles gut.

Markus: Meine Wache beginnt um 00:00 Uhr. Elke schildert das nach wie vor bestehende  Batterieproblem. Sie hat herausgefunden, dass unsere Servicebatterien maximal 5 Stunden mit 14,21 Volt geladen werden dürfen. Wir laden sie aber bereits seit mehr als 20 Stunden über den Motor mit dieser Leistung, daher wohl die Überhitzung. Wir machen den Motor erst einmal aus und dümpeln bei Windstille auf dem Ozean. Dann montiere ich das Ladekabel für die Batteriebank vom Ladestromverteiler ab. So dürften die zu warmen Servicebatterien doch erst mal keine Ladung mehr bekommen und abkühlen. Aber wo geht der von der Lichtmaschine produzierte Strom dann hin? Das weiß ich nicht. Auch unsere Bücher beschreiben nur, wie man die Batterien am besten lädt, nicht aber, was passiert, wenn quasi zu viel Strom da ist und was mit diesem Strom passiert. Elektrotechnisch versiertere Menschen wüssten darauf wahrscheinlich eine Antwort. Wir können hier aber niemanden fragen und Internet gibt es auch nicht.

Also geht es unter Motor weiter nach Bermuda. Jetzt immerhin mit 5,6 Knoten Geschwindigkeit. Es scheint im Moment eine Strömung mit uns zu gehen. Hoffentlich setzt morgen früh der angesagte Westwind ein, dann können wir endlich wieder segeln und den lauten Motor abstellen.

Trotz der Motorfahrt und den Batterieproblemen ist die Stimmung an Bord sehr gut. Nestor eröffnet „Nesti’s Sport Bar“. Er malt ein Werbeschild und erstellt eine umfangreiche Getränke- und Speisekarte mit Preisen. Dann dürfen wir bestellen und Nestor serviert. Schließlich erstellt er eine Rechnung für unsere Bestellungen.
Oskar beschäftigt sich mit dem Angeln. Er hat mittlerweile eine Vielzahl von Ködern und liest fleißig in umfangreicher (englischsprachiger) Angelliteratur. Leider beißt bisher kein Fisch an. Das ärgert uns und Oskar noch viel mehr. Aber er gibt nicht auf.
Abends bekommen Elke und ich eine Einladung von Oskar und Nestor zu einem Theaterstück. Das besteht hauptsächlich aus Turnübungen der beiden in unserer Koje im Vorschiff. Die beiden haben großen Spaß und toben immer weiter.

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